2. Zukunftsgespräch GEMEINSAM GETRENNT ERZIEHEN des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)

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Das BMFSFJ lud am 20. September 2017 zum 2. Zukunftsgespräch GEMEINSAM GETRENNT ERZIEHEN in das Bundesministerium nach Berlin ein.

Ein Zukunftsgespräch steht für Visionen, Veränderungen und den Willen, ein bestehendes System zu verbessern. In der Nachbetrachtung des BMFSFJ zur 1. Veranstaltung heißt es dazu:

„Mit dem Zukunftsgespräch „Gemeinsam getrennt erziehen“ vom 11. Juli 2017 hat das Bundesfamilienministerium einen Dialogprozess mit Wissenschaft, Politik und Gesellschaft in Gang gesetzt, der in der kommenden Legislaturperiode weiter geführt wird.“

Mit diesem Gespräch wurde aus Sicht der IG-JMV definitiv ein Dialogprozess zum Thema Umgang mit Nachtrennungsfamilien in Gang gesetzt. Kompliment und herzlichen Dank dafür an das Bundesministerium.

Nach dem positiven Erleben der Aufbruch-Stimmung während der ersten Veranstaltung ist jetzt jedoch Skepsis eingekehrt bei vielen Betroffenenverbänden. Die IG-JMV kritisiert in ihrer Stellungnahme deutlich das Design der 2. Veranstaltung vom 20.09.2017:

Die Stellungnahme zum Download:
IG-JMV – Nachbetrachtung 2. Zukunftsgespräch BMFSFJ vom 20.09.2017.pdf (342.26KB)

Stellungnahme / Nachbetrachtung

2. Zukunftsgespräch des BMFSFJ „GEMEINSAM GETRENNT ERZIEHEN“

v. 20.09.2017 in Berlin

21. September 2017

Die IG-JMV bedankt sich für die Einladung ihres Sprechers Gerd Riedmeier durch das Bundesfamilienministerium zur Teilnahme am 2. Zukunftsgespräch Gemeinsam Getrennt Erziehen in Berlin.

Die IG-JMV erlaubt sich, in der Nachbetrachtung des Gesprächs folgende Anmerkungen und Anregungen zu formulieren.

1. Die IG begrüßt den beginnenden Diskurs innerhalb der „gerichtsnahen Beraterprofessionen“ zur Weiterentwicklung der bestehenden Angebote für trennungswillige Paare. Der Trend geht hin zu mehr verpflichtenden Strukturen. Im Umkehrschluss heißt das, die oftmals „freien Angebote“ sind häufig nicht zielführend und verbesserungswürdig.

2. Der alleinige Fokus auf Beratungsangebote hilft nicht auf dem Weg zur Schaffung eines zeitgemäßen Familienrechts, das den Bedürfnissen junger Trennungsfamilien entspricht. Solange die gesetzlichen und rechtlichen Fehlanreize weiterhin bestehen, werden die Kinder immer Streitobjekte bleiben. Umgekehrt gilt: Fallen die Fehlanreize weg, vermindert sich der Streit – und damit der Bedarf an Beratung.

3. Die IG bedankt sich für die Möglichkeit, im Rahmen der „Gesprächsrunde 3 Sicherungslücken und Verteilungsfragen im Steuer- und Sozialrecht“ Lösungen vorschlagen und diskutieren zu können. Es wurde durchwegs offen und konstruktiv diskutiert. Eine Auflistung der Handlungsfelder ist in der Anlage dargestellt (Auswahl).

4. Die IG begrüßt das von Frau Prof. Sabine Walper in ihrer Präsentation vorgetragene Fazit: „Mütter und Väter müssen vor allem in ihrer Elternrolle und Ko-Elternschaft unterstützt werden“. Frau Prof. Walper macht sich jedoch inhaltlich angreifbar, wenn sie in ihren Vorträgen

– vorwiegend ältere Studien präsentiert, so aus den Jahren 1981, 1982, 1984, 1995, 1996, 1999 (u.a.).

– darauf verzichtet, neuere aussagekräftige Studien aus dem skandinavischen Raum zu verwenden

(Bergström 2015 mit n = 147.839 Kinder)

– eigene Studien präsentiert, deren Aussagekraft bedenklich ist, mit Fallzahlen wie n = 9, n= 17, n= 24.

In diesem Zusammenhang wünscht sich die IG-JMV eine deutlich neutralere und ausgewogenere Behandlung der Thematik u.a. um das „Wechselmodell“ als in den letzten Jahren zu erleben war.

5. Kritisch sieht die IG den Ansatz des Beratungsträgers „Kinder im Blick“ (KIB). Der bundesweit agierende Verein rekrutiert seine Klienten im Umfeld der Familiengerichte. Er hat jedoch nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen im Blick: Wenn trennungswillige Elternteile das kostenpflichtige Beratungsangebot wahrnehmen, wird dies grundsätzlich einseitig und parteilich durchgeführt. Dieser Ansatz schützt weder das System Familie, noch hat er die Kinder oder den anderen Elternteil im Blick. Er ist eine Auslagerung des Eskalation und Streit fördernden Ansatzes aus dem Gerichtssaal in die Beratung.

So vermag KIB keine Antworten zu geben im Hinblick auf die hohe Zahl von Kontaktabbrüchen von Kindern zu einem Elternteil – auch nach den erfolgten Beratungen durch „Kinder im Blick“.

Wir bitten aus diesen Gründen die Verantwortlichen, den von KIB geübten Ansatz zu überdenken und ggf. zu korrigieren.

Die wünschenswerte Alternative dazu lautet: Obligatorische Mediation für beide Trennungseltern bevor das Familienverfahren vom Gericht angenommen wird (best practice – Beispiele: Australien, Kalifornien u.a.).

Die IG-JMV bittet um Verständnis für die Deutlichkeit der geäußerten Kritik. Junge Trennungsfamilien wünschen sich mehr Bewegung im familienrechtlichen Diskurs und keine bloße Modifizierung des bestehenden Rechts oder des Beratungsangebots. Das reicht nicht. Wir benötigen einen

Neustart im bundesdeutschen Familienrecht

mit den Vorgaben Gleichberechtigung und Gleichbehandlung für beide getrennt erziehende Eltern.

Es darf weder um Partikularinteressen von getrennt erziehenden Müttern gehen noch um Partikularinteressen von getrennt erziehenden Vätern. Die Nachtrennungsfamilie ist systemisch als Familie zu begreifen. Das bedeutet, dass hierbei wirklich die Kinder im Blick stehen werden.

Dafür leistet die IG gerne ihren Beitrag. Die Mitgliedsverbände würden sich freuen, zu einer weiteren Veranstaltung geladen zu werden um ganzheitliche Lösungsansätze präsentieren zu können.

Gerd Riedmeier – Sprecher der Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter (IG-JMV)

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